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"Sörungen", TVI, BCI, .... und kein Ende!
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Wolfgang Kind
2005-03-29 14:07:46 UTC
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"Sörungen", TVI, BCI, .... und kein Ende!

von Arno Weidemann, DL9AH

Durch die immer weiter fortschreitende Elektronifizierung und durch das
Vorhandensein von immer mehr elektronischen Geräten hatte es in der
Vergangenheit immer mehr Schwierigkeiten dadurch gegeben, dass sich
elektronische Geräte und Sendefunkanlagen untereinander beeinflussten.
Zustande kamen diese elektromagnetischen Unverträglichkeiten dadurch,
daß die Geräte im Umfeld der jeweiligen Sendefunkanlagen nicht immer die
technische Qualität hatten, die sie aus fachlichen Gründen hätten haben
müssen. Da sich die verschiedenen Beschwerden vor allen Dingen auch in
der Nähe von leistungsstarken Rundfunk- und Fernsehsendern zum Teil
tausendfach häuften, erließ der Rat der Europäischen Gemeinschaft 1989
die für alle Mitgliedsstaaten rechtlich übergeordnete Richtlinie EWG 89/336.

Hierin wurden die Hersteller verpflichtet, alle elektrischen Geräte, Systeme,
Apparate, Anlagen und Netze so herzustellen, sodass sie bestimmungsgemäß
betrieben werden können. Um diese Geräte in allgemeinen Umgebungssituationen
nicht unnötig teuer werden zu lassen, wurde bestimmt, dass der
bestimmungsgemäße Betrieb der Geräte gegebenenfalls in zwei Stufen erreicht
werden muss. Zunächst müssen alle Geräte einen elektromagnetischen Grundschutz
besitzen. Das bedeutet, dass alle Geräte die von den europäischen Normen
vorgegebenen Prüfwerte einhalten müssen. Reicht dies in bestimmten
Betriebssituationen nicht aus, muss über diesen Grundschutz hinaus soweit
nachgebessert werden, bis das Gerät bestimmungsgemäß betrieben werden kann.

In Deutschland wurden diese EU-Verpflichtungen (siehe auch Artikel 25 des
Grundgesetzes) in Form des Gesetzes über die Elektromagnetische
Verträglichkeit von Geräten im Jahre 1992 und dann in novellierter und
ergänzter Form 1998 in Kraft gesetzt.

Gemäß § 7 Abs.1 dieses EMV-Gesetzes ist die Regulierungsbehörde für
Telekommunikation und Post (RegTP) verpflichtet, dieses Gesetz durchzuführen.
In diesem Gesetz ist auch die Aufgabe enthalten, den Markt, also die Produkte
der jeweiligen Hersteller, stichprobenweise darauf zu überprüfen, ob diese
auch tatsächlich die in den EU-Normen vorgegebenen Prüfwerte (Grundschutz)
einhalten.

Für die Betreiber von Funkempfangsanlagen, einschließlich des Fernsehens und
des sonstigen öffentlichen Rundfunks ist es u.a. wichtig, dass die Geräte zum
einen keine unerwünschten Signale ausstrahlen und damit den Funkempfang nicht
stören, wie dies leider z.B. bei PLC (zwangsläufig) der Fall ist, zum anderen
die Geräte keinen unerwünschten Nebenempfang tätigen, aus dem dann
Funktionsmängel erwachsen, die dann wiederum den bestimmungsgemäßen Betrieb
der Geräte einschränken bzw. ganz verhindern.

Obwohl bei diesem zuletzt beschriebenen bestimmungswidrigen Nebenempfang
fremder Geräte die Verursachung dieser Funktionsbeeinträchtigungen in der
nicht gegebenen elektromagnetischen Verträglichkeit der vom EMV-Gesetz
geforderten "Störfestigkeit" begründet ist, werden oft Nutzer des AFuGs -
allerdings nur Nutzer DIESES Gesetzes - mit belastenden Verwaltungsakten
überzogen (Sendeleistungsbeschränkungen usw.). Dies auch dann, wenn man
ihnen nichts anderes vorwerfen kann, als dass sie das tun, was sie per Gesetz
ausdrücklich dürfen, nämlich das Aussenden von erwünschter Nutzenergie! Wie
wenig das mit den verfassungsrechtlichen Prinzipien eines Rechtsstaates in
Einklang zu bringen ist und wie wenig das der Rechtslage entspricht, kann man
nun auch aus dem amtlichen Jahresbericht 2003 und 2004 der RegTP entnehmen.

Hier einige Auszüge aus Seite 63 und 64 von 2003:

Geräteprüfung auf dem Deutschen Markt nach dem EMVG und dem FTEG

Die RegTP führt im gesetzlichen Auftrag Prüfungen von elektrischen Geräten am
Markt durch. Grundlagen für diese Geräteprüfungen sind die EMV-Richtlinie
89/336/EWG und die Richtlinie über Funkanlagen und
Telekommunikationsendeinrichtungen 1999/5/EG und ihre Umsetzung in nationales
Recht durch das EMVG und FTEG vom 31.1.2001 ...

Auf dem Deutschen Markt werden jährlich ca. 65000 Gerätetypen mit insgesamt
250 Millionen Geräten und Bauteilen mit elektrischen und elektronischen
Komponenten in Umlauf gebracht ... Überprüft wurde von der RegTP die
Übereinstimmung mit den CE-Kennzeichnungsvorschriften, die Plausibilität der
ausgestellten EG-Konformitätserklärungen, die Übereinstimmung mit den
EMV-Schutzanforderungen ... und die Angaben zum bestimmungsgemäßen
Betrieb.....

Hinsichtlich der CE-Kennzeichnung ... wurden Produktmängel bei 3,2% nach der
EMV-Richtlinie und 27,78% nach der R&TTE-Richtlinie festgestellt. Insgesamt
ergibt sich, dass bei diesen Prüfungen 7,62% aller überprüften Geräte
mangelhaft waren ...

Messtechnisch wurden 1250 Serien und 226 Einzelgeräte überprüft. Hierbei
waren 369 Serien und 47 Einzelgeräte auffällig, d.h., es entsprachen 30% der
überprüften Serien und 21% der Einzelgeräte nicht den vorgeschriebenen
EMV-Schutzanforderungen bzw. grundlegenden Anforderungen entsprechend
FTEG! ...

Entsprechend heißt es im Jahresbericht 2004 der RegTP auf Seite 78:

... Weiterhin wurden 1306 Serien und 134 Einzelgeräte messtechnisch überprüft.
Hierbei waren 447 Serien und 23 Einzelgeräte auffällig, d.h., es entsprachen
34% der überprüften Serien bzw. 17% der Einzelgeräte nicht den
vorgeschriebenen EMV-Schutzanforderungen bzw. grundlegenden Anforderungen
entsprechend FTEG! ... Ende der Zitate.

Die hier sogar in Bezug auf den Grundschutz (Normprüfwerte) amtlich als
elektromagnetisch MANGELHAFT festgestellten Geräte sind in der Vergangenheit
auch in der Nähe von technisch einwandfreien, im Rahmen der
Genehmigungsauflagen betriebenen Amateurfunkstellen aufgetaucht und haben
dort, genau wie in der Nähe anderer Funkdienste, auf Grund ihrer Mängel
Störeffekte verursacht. Es ist davon auszugehen, dass solche mangelhaften
Geräte auch in Zukunft auftauchen werden. So gibt es schon jetzt eine Reihe
von Fällen, bei denen die Breitbandverstärker in den Zimmerantennen des
terrestrischen digitalen Fernsehempfangs (DVB-T) zu elektromagnetischen
Unverträglichkeiten geführt haben. Kommt dann noch wie geplant, ein
schwacher Empfangspegel durch Sendeleistungsreduzierung dazu, dann sind
viele Fälle von sogenannten "Sörungen" - vorprogrammiert. Dass es sich hierbei
weder aus technischer, noch aus juristischer Sicht um "Störungen" oder
"schädliche Störungen" für Funkdienste handelt, sei nur noch der
Vollständigkeit halber festgestellt.

Weder im Amateurfunkgesetz, noch im allgemeinen Recht gibt es irgendeine
Rechtsgrundlage dafür, daß ein amateurfunkbetreibender Bürger für die
technischen Mängel fremder Geräte aufzukommen hat, bzw. deshalb belastet
werden darf! Man braucht kein Jurist zu sein um zu erkennen, dass belastende
Verwaltungsakte (z.B. die bereits erwähnten Sendeleistungsbeschränkungen etc.)
wegen technischer Mängel fremder Geräte nicht rechtmäßig sind. Auch die neue
Amateurfunkverordnung (AFuV) vom 15.2.2005 läßt im § 17 eine solche
Behandlungsweise von "schuldlosen" Nutzern des Amateurfunkgesetzes nicht zu.

Einer höchstrichterlichen Überprüfung würde ein solcher Verwaltungsakt von
daher mit Sicherheit nicht standhalten, zumal spezialrechtlich einfach
nachgewiesen werden kann ist, dass es sich bei solchen Vorgängen nicht um
"Störungen" oder "schädliche Störungen" für Funkdienste handelt.

Die oben erwähnte EU-Direktive 89/336/EWG wird übrigens am 20. Juli 2007
aufgehoben. Sie ist ersetzt worden durch die ebenso allen Mitgliedsstaaten
übergeordnete "Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften in den
Mitgliedsstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit 2004/108/EG vom
15. Dezember 2004", die am 5.1.2005 in Kraft gesetzt worden ist.
Der Inhalt entspricht weitestgehend der vorangegangenen Richtlinie. Der Tenor
ist nach wie vor, dass die Hersteller ihre Produkte so herzustellen haben,
dass der bestimmungsgemäße Betrieb aller Geräte möglich ist. Bemerkenswert
ist, dass Funkanlagen dieses Mal AUSDRÜCKLICH nicht unter diese rechtlich
übergeordnete EMV-Richtlinie fallen sollen! Ebenso bemerkenswert ist es, dass
die Richtlinie sinngemäß darauf hinweist, daß Funkgeräte, die von
Funkamateuren benutzt werden, unter die Regelungen der Vollzugsordnung für
den Funkdienst (VO-Funk) fallen. Mit einer Novellierung des EMV-Gesetzes ist
demnächst zu rechnen.

Dieser Beitrag ist von einem fernmelderechtlich versierten Rechtsanwalt
überprüft, und der Rechtslage entsprechend als korrekt bewertet worden.


Arno Weidemann, DL9AH.

Sonderbeauftragter für Fragen der elektromagnetischen Verträglichkeit

Der vollständige Jahresbericht 2003 und 2004, Marktdaten der RegTP, kann
bei der Pressestelle, Tulpenfeld 4, 53113 Bonn, zuständig: Herr Rudolf Boll,
Pressestelle, Telefon: 0228/149921 Fax: 0228/148975 oder via Internet:
'http;/www.regtp.de' beschafft werden.

Quelle: Funktelegramm 4/2005, Seite 11 und 12.

Übrigens publiziere ich diesen Artikel im Auftrag von OM Arno Weidemann,
DL9AH.


Vy 73 de Wolf,
DL5DKW
DL7JSK
2005-03-29 15:03:31 UTC
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Post by Wolfgang Kind
Weder im Amateurfunkgesetz, noch im allgemeinen Recht gibt es irgendeine
Rechtsgrundlage dafür, daß ein amateurfunkbetreibender Bürger für die
technischen Mängel fremder Geräte aufzukommen hat, bzw. deshalb belastet
werden darf! Man braucht kein Jurist zu sein um zu erkennen, dass belastende
Verwaltungsakte (z.B. die bereits erwähnten Sendeleistungsbeschränkungen etc.)
wegen technischer Mängel fremder Geräte nicht rechtmäßig sind. Auch die neue
Amateurfunkverordnung (AFuV) vom 15.2.2005 läßt im § 17 eine solche
Behandlungsweise von "schuldlosen" Nutzern des Amateurfunkgesetzes nicht zu.
Auch die vorherige nicht,jedenfalls bei mir.Als ich Besuch von der Regtp
wegen des miesen Fernsehers meines Nachbarn hatte,wurde die kritische
Feldstärke von 3 V/m zu keiner Zeit in Nachbars Wohnung erreicht.Die Folgen
für meinen Nachbarn: die Beamten belehrten ihn,was für einen Schrott er
hatte und empfahlen den Einbau eines Filters in die Antennenleitung - zu
SEINEN Kosten selbstverständlich.Die Folgen für mich: keine.

73
Tom

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